– Meinung –


Das NetzDG „feiert“ 1-jähriges Bestehen. Nach Ziehung der ersten Bilanz wird die eklatante Fehleinschätzung von Heiko Maas und weiteren Verantwortlichen sichtbar. Die Meinungsbeschneidung geht offenbar noch nicht weit genug.

Öffentliche Hand gibt Justiz an Privatunternehmen ab

Zensur
Zensur unter dem Deckmantel des NetzDG

Inzwischen wird das sehr umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ein Jahr alt. Geschaffen wurde diese weitere Regelung im Dickicht der Bestimmungen federführend vom damiligen Bundesjustizminister und heutigen Außenminister Heiko Maas (SPD). Mit NetzDG solle der Kampf gegen sog. „Hass-Sprache“ im Internet besser gelingen. Das Regelungswerk ist durchzogen von den Begriffen „Beschwerde“ und „Beschwerdeführer“, also auch ein Persilschein für Denunziation.

Nach einem Jahr NetzDG wollte Handelsblatt (Dienstagsausgabe) Bilanz ziehen und fragte beim Bundesjustizministerium nach, in welchem Umfang das Gesetzeswerk bereits Anwendung gefunden hat. Die Beschwerden und die darauf erfolgten Löschung von „Hass-Botschaften“ fiel demnach geringer aus als erwartet. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass die Schaffer von NetzDG von jährlich rund 25.000 Meldungen und 500 Bußgeldverfahren ausgingen. Bis Ende November gingen beim Bundesamt jedoch nur 704 Meldungen ein.

Für SPD-Politikerin Saskia Esken gibt es für diese eklatante Fehleinschätzung eine einfach Erklärung. „Die Unternehmen haben Strukturen aufgebaut, um mit Hinweisen auf potentiell strafbare Inhalte regelmäßig und verantwortungsvoll umzugehen“, so Esken zum Handelsblatt.

Damit hat die SPD-Netzbeauftragte eigentlich bestätigt, was schon beim Entwurf des NetzDG stets in der Kritik stand. Private Unternehmen erhalten die Rolle der Justiz zugeteilt, welches zwingend in der öffentlichen Hand zu bleiben hat. Eine „verantwortungsvolle“ Selbstjustiz ist ebenso strafbar wie die plumpe Abrechnung mit Hammer und Keule, wohl nicht aber nach den Vorstellungen des damaligen SPD-Justizministers. Von 25.000 erwarteten Meldungen blieben lediglich gut 700 übrig. Ein Erfolg, wenn es sich dabei sogar nur um „potenzielle“ Straftaten handelte? Wer hat dies zu entscheiden? Gemäß NetzDG die privaten Internet-Unternehmen wie Facebook, Twitter und Google.

Der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin sieht die Gründe für das geringe Aufkommen von Beschwerden zwar aus einer anderen Blickrichtung, spricht allerdings auch offen aus, was NetzDG eigentlich bedeutet. „Die geringe Anzahl an Beschwerden könnte auch darauf hindeuten, dass sich die Nutzer selbst zensieren“. Genau, Zensur! Höferlin hat auch die Problematik zur Meinungsfreiheit auch erkannt, denn er betonte, dass nicht „jede unangenehme Meinung“ auch gleichzeitig strafbar sei.

Für den Grünen-Politiker Konstantin von Notz werden dagegen die Potenziale des NetzDG noch nicht vollständig ausgeschöpft. Er sieht in der „Implementierung der Meldewege“ starken Verbesserungsbedarf. Er fordert das Nachjustieren und klarere Vorgaben und kritisiert das Fehlen einer Schlichtungsstelle sowie ein sog. „put-back-Verfahren“, bei denen unrechtmäßig gesperrte bzw. gelöschte Inhalte und Zugänge wieder rückgängig gemacht werden können.

Private Unternehmen urteilen nach Eingang von Beschwerden über Unrecht und Recht, sollen Schlichtungsstellen bereitstellen und vollstrecken. Eingerichtet und gefördert von Bundesregierung und Parlament (sog. Vertreter). Ein Graus.


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