Für Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bahnt sich eine Schlappe an. Die Frührente mit 63 könnte in Details gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Regelung zu den „letzten zwei Jahren“ vor Renteneintritt droht das jüngst in Kraft getretene Rentenpaket aus den Fugen zu heben.

Verfassungswidriges Rentenpaket wäre Blamage für Nahles

Rente
Frührente mit 63 steht auf der Kippe

Das von der Bundesregierung kürzlich beschlossene Rentenpaket könnte zumindest um den Baustein „Rente mit 63“ geschröpft werden. Einzelheiten zum früheren Renteneintritt ohne Abzüge könnten gegen das Grundgesetz verstoßen. In der Kritik steht die Stichtagregelung, die eine Welle der Frühverrentung verhindern soll. Dieser Punkt könnte sogar verfassungswidrig sein. Zu diesem Schluss kommen die Rechtsexperten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Das Ergebnis des Gutachtens liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Verfassungswidrig? Es geht um die „letzten zwei Jahre“.

Anspruch auf Rente mit 63 ohne Abzüge haben die Arbeitnehmer, die 45 Beitragsjahre in der Rentenversicherung nachweisen können. Anerkannt werden auch Zeiten, bei denen Arbeitslosengeld I bezogen wurde (jedoch nicht Hartz IV). Für diese Berücksichtigung gibt es aber eine Ausnahme. Sollte der Arbeitnehmer vor seinem Renteneintritt mit 63 innerhalb der letzten beiden vergangenen Jahren arbeitslos gewesen sein, so wird dieser Zeitraum nicht angerechnet. Damit soll ein hohes Aufkommen von Frühverrentungen mit 61 vermieden werden.

Innerhalb dieser Ausnahme ist eine weitere Ausnahme eingeknüpft. Tritt die Arbeitslosigkeit innerhalb der beiden letzten Jahre ein, weil der Arbeitgeber in Insolvenz ging oder das Geschäft vollständig aufgab, so wird dieser Zeitraum dennoch für die Aufzählung von 45 Beitragsjahren berücksichtigt. Betriebsbedingte Kündigungen fallen wiederum nicht in die „Ausnahme in der Ausnahme“.

Auf die Praxis bezogen dürfte sich die separate Behandlung von Arbeitslosen aufgrund eines Konkurses und den „Freigestellten“ aufgrund betriebsbedingter Kündigungen als Unsinn herausstellen. Es ist ein Fakt, dass eine Insolvenz in aller Regel absehbar und auch vermieden werden soll. Es kommt fast automatisch im Vorfeld zu betriebsbedingten Kündigungen.

Der Wissenschaftliche Dienst sieht in dieser Regelung einen möglichen Verstoß „gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3, Abs. 1 GG“.

Das mögliche Programm: Sozialgericht dann Verfassungsgericht

„Stümperei und „blinder Aktionismus“, so Markus Kurth, rentenpolitischer Sprecher der Grünen zu der nun beanstandenden Stichtagregelung. Sollte die Regierung diese Regelung nicht ersatzlos aus dem Gesetz streichen, werde die Rente mit 63 bald vor Sozialgerichten und darauf hin beim Verfassungsgericht landen. Bestätigten sich die Einschätzungen der Rechtsexperten vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, so wäre dies für Nahles eine Blamage.

Für den Verbraucher und Wähler stellt sich die Frage, ob für die Gesetzesentwürfe die möglichen Ratschläge von Juristen und Rechtsexperten einfach ignoriert werden, oder ob Minister, Bundestag und Bundesrat überhaupt daran denken, ihre Ideen auch einmal im Vorfeld auf Hieb- und Stichfestigkeit überprüfen zu lassen. Das bewusste Übergehen des Grundgesetzes sollte eigentlich nicht der Grund für nachträgliche Beanstandungen sein.

ARAG Rechtsschutz

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